Eine Zusammenfassung von Adreas Sickert, Design Director – CULTURE FORM GmbH
Nachdem wir bereits im Mai beim Bikefestival in Riva die Akteure und Zielgruppen im
Visier unserer Recherche hatten, stand jetzt, wie in jedem Jahr die Eurobike in Friedrichshafen
auf unserer Messeagenda.
Wenn wir alle Themen, Trends und Eindrücke auf einen Punkt bringen müssten, hieße
die Überschrift „eBike“!
Bereits in den ersten Minuten auf der Messe wurde die überw.ltigende Präsenz dieser
Sparte sehr deutlich spürbar.
Einige Hersteller haben die konventionellen Bikes gleich zuhause gelassen. Damit wurde
schnell klar, die gesamte Energie der Entwicklung geht in den Produktbereich der
e-motorisierten Bikes. Der Konsument scheint das Mehr an Komfort durch die höhere
Kapazität und Leistung der Antriebe offensichtlich entsprechend zu honorieren. Der gefühlte
Preispunkt pendelte sich beim Rundgang durch die Hallen schnell zwischen 4.000
und 5.000 Euro ein.
Selbst bei den sportlich orientierten Zielkunden ist der leise unterstützende Vorschub
sehr willkommen. Neben dem „eMTB“ löst nun zunehmend auch das „eRoadbike“ Begehrlichkeiten
aus. Mag man als Sportler diesem Bild noch skeptisch gegenüberstehen,
sprechen die Absatzzahlen eine deutliche Sprache.
In jedem Fall wird das Produkt komplexer und integrativer. Die verschiedenen Systeme
vernetzen sich zunehmend. Standards, wie ANT+ und Bluetooth setzen sich durch und
machen die drahtlose Kommunikation auch unter Produkten verschiedener Hersteller
möglich.
Sattelstützen, Schaltwerke, Tachos, Computer, Beleuchtungs- und Alarmsysteme haben
begonnen, miteinander zu reden. Aus der Kundenperspektive gibt es hier einiges Neuland
zu erschliessen. Aber verglichen mit vielen fragwürdigen Anwendungen in unserem
Alltag wirken die meisten Anwendungen auf mich logisch und sinnvoll. So sind Systeme,
welche wir bisher aus der Automobil- oder Motorradbranche kannten, wie Reifendrucksensoren
oder ABS auch in diesem Segment auf der Ausstattungsliste zu finden.
Neben dem technischen und technologischen Fortschritt, setzen die Hersteller ausnahmslos
auf einen weiteren wichtigen und offensichtlich entscheidenden Faktor: DESIGN!
Hier herrscht absolute Einigkeit und das im Sinne des Kunden.
Bei den allermeisten gezeigten Produkten, bleibt kein Millimeter mehr dem Zufall überlassen.
Gerade die Faserverbundwerkstoffe geben neuen Spielraum und Möglichkeiten
für die Sichtbarkeit der jeweiligen Design-DNA. Runde Rohrquerschnitte findet man lediglich
noch bei den Retro-Bikes. Der Umgang mit Formen und Flächen sowie die spürbare
Liebe zum Detail, unterstützt durch aufwändige grafische Elemente, verleihen dem
Produkt eine neue Wertigkeit. Die Zeiten des „Drahtesels“ gehören damit endgültig der
Vergangenheit an.
Es gibt für jeden Bedarf und Einsatzzweck das passende Bike. Die Produkte haben sich
deutlich weiter ausdifferenziert und es bleibt kein Wunsch offen. Ggf. der nach noch
mehr Leistung und noch mehr Reichweite. Der Markt scheint das Mehr an Leistung abzufragen.
Der Konsument schätzt dabei den Gewinn an Komfort. Neue Bezahl- und Leasingsysteme
relativieren offensichtlich den hohen Anschaffungspreis.
Und natürlich – es ist ein „cooles Thema“. Heute macht es doch viel mehr Eindruck, über
das neue E-Bike zu reden, als über das geparkte Auto auf dem Hof. Und das ist auch
richtig und gut so.
Ohne Zweifel, die präsentierten Bikes sind fast ausnahmslos chic und sexy. Eine Antwort
auf die kollabierende Verkehrsinfrastruktur in den Städten habe ich trotz alldem nicht
gefunden. Einen Dialog zwischen den meist mittelständischen Marktteilnehmern und der
Politik scheint es nicht zu geben oder hat noch nicht zu einem sichtbaren Ergebnis geführt.
Wir werden mit dem neuen Mobilitätserlebnis die schon heute erlebbaren Rebound-Effekte
verstärken. Der Individualverkehr nimmt weiter zu, und das auf einer schon heute
nicht tragfähigen Infrastruktur. Die sportiv orientierten Produkte, werden mehr Menschen
auf die Trails befördern und den Alpentourismus verstärken, mit allen positiven und auch
bedenklichen Folgen.
Als Produktdesigner freue ich mich über die unzähligen neuen Möglichkeiten und die
hohe Akzeptanz im Markt. Als Servicedesigner sehe ich umfangreiche Aufgaben auf uns
zukommen, um die grundsätzlich positive Idee in eine tatsächlich nachhaltige und ökologisch
sinnvolle Realität zu überführen.
Trotz meiner anhaltenden Leidenschaft zum Automobil, bin ich auf dem Weg ins Büro
und in den Supermarkt immer häufiger auf dem eBike anzutreffen. Auf der sportlichen
Seite lege ich wieder deutlich mehr km auf dem Road- und Mountainbike zurück und das
tatsächlich weiter ohne Elektrounterstützung.
Die Sensibilität für die Wahl des richtigen Verkehrsmittels und unser Engagement für die
Entwicklung der nötigen Strukturen und entsprechenden Produkte und Systeme ist zu
einer Aufgabe für uns Designer geworden.
EUROBIKE 2019